Im Kopf entscheiden sich die Dinge des Lebens.
Bernd Herrmann erfolgreich beim 280 km Einzelzeitfahren von Hamburg nach Berlin.

21. Okt 2010

Bernd Herrmann: Im Kopf entscheiden sich die Dinge des Lebens.
Bernd Herrmann: Im Kopf entscheiden sich die Dinge des Lebens.

Der Druck auf Bernd Herrmann war schon zu spüren. Es schien, als höre man seine Herzschläge. Zwar kennt er die Anspannung vor jedem Rennen, doch dann sei es für ihn, so sagt er, doch immer wieder als wäre es das erste Mal. So manchen Radklassiker hat er wohlbehalten gemeistert, doch diesmal entschied sich der Randonneurs für den Kampf gegen die Uhr und damit gegen sich selbst.

Lange und intensiv hat sich Bernd Herrmann auf das 280 km Einzelzeitfahren Hamburg – Berlin vorbereitet. Gewissermaßen als Saisonabschluss wollte er sich auch als Einzelkämpfer beweisen, was ihm dann auch mit Bravour gelang. Mit 300er und 400er Brevet, seiner sechsten Fichkona, der dritten Alpen-Challenge und dem Frankenwald-Radmarathon war für den 45-jährigen die Saison 2010 alles andere als einfach. Trotz der enormen beruflichen Verpflichtungen, die den Unternehmer auch mehrfach in die osteuropäischen Länder führten, arbeitete er konsequent an der Abarbeitung seines Wunschzettels, auf dem auch dieses Einzelzeitfahren stand.

Am Samstag, dem 16. Oktober, war es dann so weit. Tags zuvor ging es mit dem Auto nach Hamburg, dabei immer in der Hoffnung auf einen sonnigen Wettkampftag. „Noch vor meiner Ankunft in der Hansestadt schnupperte ich die etwas rauhere Luft des Nordens. Doch alle Erwatungen auf stabiles Wetter zerschlugen sich. Ein letztes Telefonat mit meinem Freund Heiko Mai am Vorabend des Rennens bestätigten alle bösen Vorahnungen“, erzählt der Randonneurs.

Dauerregen, Temperaturen um die 6 Grad und stürmiger Nordostwind wollten Bernd Herrmann gründlich den Spaß an diesem Zeitfahren verderben. Schon um 6:00 Uhr morgens machte er sich auf, fuhr zum Start. „Warum bleibe ich nicht lieber im Hotel, mache mir einen schönen Tag in Hamburg?" Diese Frage stellte er sich immer wieder. Doch allein schon die Neugier auf das Rennen ließ alle in ihm aufkommenden Zweifel in den Hintergrund treten.

Vom Start an weht ihm ein stürmiger Nordostwind entgegen und da es kein Rundkurs war, sollte er diesen Wind auf der gesamten Strecke immer von vorn eiskalt zu spüren bekommen. Hinzu kam der einsetzende Regen, der zum Dauerbegleiter von Hamburg bis Berlin wurde. „Irgendwann ist man dann gleichmäßig nass und man gewöhnt sich an diesen Zustand, so wie man sich auch mit den langen monotonen Geraden quer durch die Lüneburger Heide abfindet. 90 Kilometer die nicht enden wollen“, so Bernd Herrmann.

Nach und nach bildeten sich kleine Gruppen. Der Sturm schweißte die Randonneure zusammen. Unterwegs kommt es immer wieder zu Stürzen und jeder hofft irgendwie gesund in Berlin anzukommen. Gemeinsam mit einigen Hamburger Jungs trotzt der Geraer ab Wittenberge den immer kräftiger werdenden Windböen. Gegenseitig macht man sich Mut und so gelingt es, das Tempo dennoch hochzuhalten. Den Lauf entlang der Elbe in Havelberg verlassend, geht es entlang der Havel weiter in Richtung Berlin.

„Die letzten 100 km sollte ich dann auch noch schaffen. Auch wenn jetzt die kleinen Wehwehchen beginnen, denkt man nur noch an die Zielankunft. Mein Körper schüttet erste Endorphine aus und dieses Gefühl gibt mir wieder Kraft durchzuhalten. Plötzlich vor mir ein Hinweisschild, welches ich mehr schemenhaft wahrnehme. 25 km bis Nauen. Jetzt gibt es nur noch einen Gedanken: Berlin ich komme!“, erzählt Bernd Herrmann.

Noch sind aber gute 45 km zurückzulegen. „Die Schmerzen sind plötzlich wie verflogen. Ich erhöhe meine Trittfrequenz, gewinne mehr und mehr an Fahrt, fliege förmlich ins Ziel und spüre den sehnsüchtig erwarteten Moment: Man fährt über die Ziellinie. Es ist geschafft. Zehn Stunden im Sattel. Jetzt spüre ich nur noch Freude und den Gedanken an ein heißes Bad, welches ich mir dann auch im Hotel ausgiebig gönnte“, so Bernd Herrmann und meint mit einem erleichterten Blick zurück: „Im Kopf entscheiden sich die Dinge des Lebens. Niemals zu schnell aufgeben, sonst verpasst man unbeschreibliche Glücksgefühle.“ (rs)

21. Okt 2010 Im Kopf entscheiden sich die Dinge des Lebens.
Bernd Herrmann erfolgreich beim 280 km Einzelzeitfahren von Hamburg nach Berlin.
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