Geraer Radrennbahn feiert 50. Geburtstag.
Bahnweihe am 26. Mai 1957 durch Geras Oberbürgermeister Aßmann.


Archivbild: Tag des Radsports 2006 auf der Geraer Radrennbahn Gera. Nachdenklich die Gesichtszüge, von Begeisterung keine Spur, düster die Blicke, schreitet eine Gruppe entlang der Betonfläche im Areal der Geraer Radrennbahn. Das mit einem auf den Kopf gestellten Besenstiel folgende rhythmische Abklopfen des Belages klingt dumpf und lässt Hohlräume im Untergrund vermuten. Immer wieder im Blickfeld die Risse, die der Belagoberfläche längs- und quer-verlaufend ein nicht zu deutendes, ja beängstigendes Muster verleihen. Immer wieder bleibt die Gruppe stehen, es wird geredet, Notizen werden gemacht. Und dann immer wieder die Frage nach der Befahrbarkeit der Bahn. Wie stabil ist der Belag wirklich? Besteht die Gefahr, dass Teile wegbrechen können? Ist die Sicherheit der Sportler gewährleistet? Kann man eine Freigabe verantworten?
Ein sich vor Beginn der Wettkampfsaison seit Jahren immer wiederholendes Zeremoniell, initiiert von einem eingespielt wirkenden Team, bestehend aus Vertretern der Stadt Gera, des SSV Gera 1990 und Gutachtern des Baubetriebes. Ebenso traditionell wie der Rundgang, scheint auch die Entscheidung für die Freigabe zu fallen. Aber eben nur scheinbar. Bisher folgte stets eine Freigabe unter der Auflage, die größeren Schäden zu beheben. Was bleibt, ist eine Gratwanderung zwischen der Notwendigkeit einer Bahnnutzung für die Entwicklung des Radsports in Gera, ja in ganz Ostthüringen, auf der einen Seite und der Gewährleistung der Sicherheit der Sportler auf der anderen Seite. Stets hatte letzteres Priorität und auch für die Zukunft wird dies so bleiben. Doch wie lange werden auf dem 250 Meter Zementoval in Gera noch Trainingsläufe und Wettkämpfe möglich sein?
Es ist nicht allein die Tradition, die Gera zur Stadt des Radsports gemacht hat. Vielmehr sind es die nicht abreißenden sportlichen Erfolge. Radsport ist aber auch die Sportart in Gera, an der man besonders deutlich spürt, dass Freud und Leid eng beieinander liegen. Als die erfolgreichste Sportart verfügen die Radsportler über die schlechteste Sportstätte in der Stadt Gera. Das stete Ringen für eine dem Leistungsniveau entsprechende Sportstätte zieht sich nun schon seit Jahren hin, erscheint als eine Art unendliche Geschichte, geprägt von gegenseitigen Schuldzuweisungen, wo am Ende die sportliche Vernunft auf der Strecke bleibt.
So liegt eine mögliche Sanierung der Geraer Radrennbahn derzeit auf Eis. Seitens des Thüringer Radsportverbandes (TRV) wurde sich für den Umbau der gut erhaltenen Radrennbahn in Erfurt entschieden, deren Fertigstellung für Herbst 2007 vorgesehen ist. Zwar gibt es ein Bekenntnis des TRV auch zur Radrennbahn in Gera, doch über deren Zukunft schwankt man in Radsportkreisen zwischen Pessimismus und Optimismus. Doch Pessimismus und damit einer Entscheidung gegen die Radrennbahn käme einem Aufgeben des Radsports in Gera und Ostthüringen gleich. Allein schon deshalb muss der Kampf um diese Sportstätte weitergeführt werden. Mit ihr ist das Aufsteigen Geras zur Radsporthochburg in der ehemaligen DDR und heute in der Bundesrepublik aufs Engste verbunden, und das nun schon über vier Generationen. Mit Lothar Meister II, Erhard Hancke, Volker Schönfeld, über Gerald Mortag, Lutz Haueisen, Olaf Ludwig, Thomas Barth, Jörg Köhler, Jens Heppner und in jüngster Zeit Marcel Barth, Sascha Damrow, Michael Seidenbecher, Robert Förstemann und René Enders haben Geraer Radsportler auf dieser Bahn ihre ersten Schritte zur Weltspitze im Bahn- und Straßenradsport getan.
Am 26. Mai diesen Jahres jährt sich die Weihe der Radrennbahn zum 50. Mal. Noch heute schwärmen die Radsportfans von der für sie beeindruckenden Atmosphäre, als Lotte II, wie Lothar Meister von seinen Freunden genannt wurde, unter stürmischem Beifall der 7000 Zuschauer nach dem Eröffnungszeremoniell durch Geras Oberbürgermeister Aßmann die Ehrenrunde drehte.
Es waren die Mitglieder der damaligen BSG Union, die in mehr als 2500 Stunden eine Radrennbahn in einer Länge von 250 m schufen (Bemerkung der Redaktion: Es gibt auch Hinweise und Erinnerungen an eine 160 m oder 200 m Bahn. Wir recherchieren noch und sind für weitere Quellennachweise bzw. Leihgaben von historischen Originaldokumenten dankbar.) Später folgte auf Beschluss des Geraer Stadtrates der Bau einer 250 m Zementpiste. Der Leipziger Architekt Richard Lorenz Wese beauftragte die Geraer Baufirma Regel, Copp & Co. mit dem Bau. Im Januar 1955 war es soweit. In mehr als 3000 freiwilligen Stunden unterstützten Sportlerinnen und Sportler sowie Geraer Einwohner den Bau der Sportstätte am Martinsgrund.
In einer beispielhaften Gemeinschaftsaktion wurde ein Traum Wirklichkeit, ein Traum der schon Anfang der 30er Jahre begann, als auf dem damaligen Schützenplatz in Gera-Debschwitz eine 400-m-Erdbahn geschaffen wurde. Viele gute Renntage, der Rekord lag einmal bei 22000 Zuschauern, ließen eben diesen Wunsch nach einer Zementpiste für Gera reifen.
Acht Jahre später, anlässlich des "Großen Preis der DDR" 1965, folgte dann das Sozialgebäude mit Fahrerlogen und einer für damalige Verhältnisse modernen Eingangspforte. 1977 bis 1979 wurde die gesamte Anlage einer gründlichen Sanierung unterzogen. Neben der Erneuerung der Fahrfläche erhielt die Bahn im Innenraum ein separates Fahrerlager. Überholt wurden auch die Sitztraversen und die Beleuchtung.
Vieles hat sich derzeit geändert. Alt ist sie geworden, ja gebrechlich. Aber sie lebt. Was bleibt, unauslöschbar ist, sind Erlebnisse und Eindrücke, an die man sich noch heute gern erinnert. Darunter zählen die DDR-Meisterschaften in den 60er, 70er und 80er Jahren oder die zahlreichen Weltmeister und Olympiasieger.
So verständlich ist da der Wunsch nach einer erneuerten und überdachten Radrennbahn in Gera und für Ostthüringen.   (rs)


Anmerkung: Wer alte Fotos oder andere Dokumente aus den Anfangsjahren der Radrennbahn leihweise zum Kopieren zur Verfügung stellen kann, wird gebeten, sich mit einem kurzen Email zu melden >> 

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04.01.2007 (20.03.07) - www.ssv-gera.de