Erste Anzeichen gesundheitlicher Schwächen. Marcel Barth hoffnungslos abgeschlagen bei der Deutschen Straßenmeisterschaft in Wörth a. Donau 2005.

Gera, 20.06.2007
Der Wiedereinstieg nach dem Absturz.
Geraer Marcel Barth vom Thüringer Energie Team 2007 wieder angriffslustig.


Geraer Marcel Barth vom Thüringer Energie Team 2007 wieder angriffslustig. Sein Atem stockte, Leere in seinen Gesichtszügen. Für den erfolgreichen Nachwuchsradsportler Marcel Barth war es ein tiefer Schock, als er erfuhr, dass er einen Grippevirus in sich trug.
Für einen Leistungssportler der Absturz, möglicherweise das Ende seiner Karriere. "Ich bekam Panik, spürte eine innere Angst. Sollte für mich die Saison zu Ende sein, bevor sie überhaupt begonnen hatte?"  Bis zu den Junioren gelang ihm eine Bilderbuchkarriere, mit der er sich für den U23-Bereich empfahl. "Für mich sah alles super aus. Ich wurde in die Sportfördergruppe aufgenommen, absolvierte meine Grundausbildung, war ein hoffnungsvolles Nachwuchstalent und verdiente gutes Geld." Es folgte ein erster Patzer bei der Deutschen Crossmeisterschaft. Hier spürte er, dass etwas mit ihm nicht stimmte.
Im Trainingslager auf Sardinien verdichteten sich die Anzeichen. Noch gab er sich selbst die Schuld, suchte die Ursachen in seinem Umfeld und hoffte immer darauf, dass alles wieder gut werden würde. "Es war Silvester 2004. Ich hatte mit Freunden in Erfurt gefeiert und mir für 2005 vorgenommen, im Männerbereich da weiter zu machen, wo ich als Junior 2004 aufgehört hatte."
Marcel Barth erinnert sich: "Da waren die Grundausbildung, das Trainingslager, die Kälte, die Partys. Es war bestimmt alles ein bisschen zu viel." Es war aber nicht allein das sportliche Desaster, was den damals 19-jährigen belastete. Zum Geraer Sportler des Jahres 2004 gekürt, bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe unter den zehn Top-Nachwuchsathleten - der Name Barth war eben Programm.
Wie sein Vater Thomas zur Zeit der Friedensfahrt, war er nun der Vorzeigeathlet. Und er hatte eine Vision: "Ich fahre das erste U23-Jahr im Team, werde gute Ergebnisse erzielen, so dass ich im 2. oder 3. Männerjahr bei einem GSII-Team unterkomme, und im vierten Jahr gelingt mir dann der Sprung zu den ganz Großen."
"Wenn ich heute darüber nachdenke, wird mir klar, wie naiv ich damals war. Ich wollte es jedem Recht machen. Doch dann kamen die ersten Nörgeleien vom Vater: 'Du bist zu schwer, du bist zu lasch, du bist zu schnell gefahren, hast übertrieben, mach mal weniger.' Dann wieder: 'Mach mal mehr.' Am Ende wusste ich nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Und dann immer die Angst, dass ich aus dem Team geworfen werde, die Sportfördergruppe der Bundeswehr verlassen muss und meinen Status als Nationalkader verliere."
Doch dann schien es, als seien alle diese Probleme wie weggeblasen. Beim Weltcuprennen Tour de Berlin ein zweiter Etappenplatz, das Trikot für den besten Sprinter und die Ehrung als aktivster Nachwuchsfahrer. Es schien, als hätte er das Virus besiegt. Was blieb, war das Gefühl, als käme er nicht aus den Startlöchern. Was er zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, ihn hatte dass Pfeiffersche Drüsenfieber befallen. Bei der Ronde de l'Isoard in Frankreich fuhr er sich dann noch tiefer in den Keller. In ihm schwand nun jeglicher Funke von Hoffnung auf eine erfolgreiche Saison.
Es folgten die Erzgebirgsrundfahrt, die Deutsche Straßenmeisterschaft und gleich im Anschluss der Nationalmannschaftslehrgang in Hockenheim. "Da blieb keine Zeit zum Atemholen und ich merkte, dass ich total fertig war. Es muss nur mein eiserner Wille gewesen sein, dass ich damals nicht alles hingeschmissen habe." Auch bei der Main-Franken-Tour und der Militärweltmeisterschaft in Polen kam er nicht in Tritt. "Ich war am Ende aller meiner Kräfte und Hoffnungen. Heute glaube ich, dass mein Körper mir damals ein erstes Mal klar gemacht hat, dass ich mich seit gut fünf Monaten total überfordert hatte und das irgendetwas in mir rumorte."
Willensstark, aber körperlich am Boden. Marcel Barth bei der Deutschen Zeitfahrmeisterschaft 2005 in Schweinfurt. Für ihn folgte bei der Tour de Alsace ein noch tieferer Einbruch. Erstmals suchte er nun Hilfe bei einem Arzt, der sich auf die verschiedensten Magen-Darm-Erkrankungen spezialisiert hatte. "So wie er mich ansah, muss das Lesen meiner Blutwerte bei ihm einen Schock ausgelöst haben. Und in der Tat, ich fühlte mich wirklich wie ausgebrannt."
Und dann ein Hoffnungsschimmer. Auf Sardinien war er auf Dr. Jens Hinder getroffen, der ihm angeboten hatte, ihn in Warendorf zu besuchen, um ihn einmal gründlich zu untersuchen. "Mir war klar, wenn der dich nicht gesund kriegt, musst du aufhören. Ihm ist es zu danken, dass ich heute wieder auf einem normal gesunden Stand bin und mich optimal auf die neue Saison vorbereiten konnte."
Für Marcel war und ist es immer ehr wichtig, gute Freunde zu haben. Und gerade während der Zeit seines Absturzes, konnte er sich auf eben solche Freunde verlassen. Dazu zählte sein Trainer Gerald Mortag, der ihm immer das Gefühl gegeben hat, dass nach dem Absturz auch wieder ein Aufstieg kommt. "Schnell, ja zu schnell, hatten sich viele von mir abgewendet. Manchmal kam ich mir vor wie ausgestoßen. Dass ich doch nicht daran verzweifelt bin, habe ich meinen wirklichen Freunden zu verdanken und natürlich meiner Familie".
Und noch eine positive Erfahrung konnte der heute 21-jährige sammeln: "Ich kann nun meinen Körper und meine Leistungsmöglichkeiten viel besser einschätzen. Weiß nun, wann ich einen Gang zurückschalten muss. Ich will allen Dank sagen, die zu mir gehalten haben und ihnen zeigen, dass ich wieder der bin, der ich vor zwei Jahren war. Hoffentlich noch etwas besser."   (rs)

    << zurück zur Übersicht

20.06.2007 - www.ssv-gera.de