Gera, 25.07.2007
Radsport im Zwielicht und die Touren rollen weiter.
Interesse an Frauenrundfahrt und Tour de France weiterhin ungebrochen.


Die Tour rollt, rollt auf den Straßen von Ostthüringen und das noch bis zum 29. Juli 2007. Am Dienstag gab Geras Sozialdezernentin Christiane Neudert den Startschuss zur 20.Internationalen Thüringen Rundfahrt der Frauen. Mit Start und Ziel auf dem Geraer Markt wurde die Jubiläums-Tour mit einem Mannschaftszeitfahren eröffnet, bei dem die beiden Schweizer Teams für eine Überraschung sorgten. Im Kampf gegen die Uhr verwiesen das Raleigh Lifeforce Creaton HB Pro Cycling Team und das Bigla Cycling Team das T-Mobile Women Team auf Rang drei. Die Deutsche Nationalmannschaft mit der frischgebackenen Siegerin der Straßenrundfahrt Krásná Lipa und Deutschen Meisterin im Mountainbike, Hanka Kupfernagel, kam auf Platz fünf und das Team Getränke Hoffmann mit der Geraerin Tina Liebig, das als letzte Mannschaft auf den 4,2 km Kurs ging, beendete ihren Kampf gegen die Uhr auf Rang acht.

Stürmisch ging es in mehrerer Hinsicht auf dem Geraer Markt zu. Während die weltbesten Radamazonen um eine gute Ausgangsposition für die folgenden sechs Etappen kämpften, wurden sie begeistert von den Zuschauern angefeuert. Aufkommende Regenwolken wurden durch Windböen vertrieben, die wiederum den Aufbaustab nicht zur Ruhe kommen ließen. Stühle wurden hoch gewirbelt und Elemente der Siegerehrungswand aus den Halterungen gerissen. Zur Sicherheit der Fahrerinnen musste die Bandenwerbung abgebaut werden.

Hanka Kupfernagel Das Gerangel um die Dopingenthüllungen und die so entbrannte Hetzjagd gegen die Tour de France, die selbst Moderatoren des öffentlich rechtlichen Fernsehens veranlassen, Krokodilstränen zu weinen, weil die Tour in Frankreich immer noch rollt, spielte bei dem Highlight des Frauenradsports keine Rolle. "Wir wollen guten Sport zeigen, sauberen Radsport", verteidigt Hanka Kupfernagel ihre Sportart und wünscht sich, dass die Medien mehr Interesse für den Frauenradsport zeigen sollten.

Mit Blick auf die derzeitige Situation im Profiradsport scheint das Interesse der Medien auch deshalb bei den Männern zu liegen, weil es dort statt der sportlichen Highlights mehr um Doping-Sensationen geht. Erstaunlich auch, dass mit dem Ausstieg von ARD und ZDF aus der Tour-Berichterstattung jetzt noch mehr informiert wird, allerdings nur in Sachen Doping.

07.-29.07.2007 / Tour Tagebuch von Enrico Poitschke Ein Abbruch der Tour de France käme einer Ohnmachtserklärung der Organisatoren gleich und wäre ein Schlag ins Gesicht aller derjenigen Fahrer, die sich um einen sauberen Radsport bemühen. Abbruch, nach Hause fahren, für den Geraer Enrico Poitschke unvorstellbar. Für ihn erfüllte sich der Traum, als Profi die Tour de France zu fahren. 37 Jahre alt musste er werden, bis er die sportliche Reife hatte, um 21 harte Renntage und 3550 Rennkilometer auf den 20 Etappen hinter sich zu bringen. Gegenüber Manfred Höhnel vom Fachorgan "RadSport" gesteht der Geraer: "Die Tour ist die größte Veranstaltung im Radsport. Das direkte Erlebnis wirft alles über den Haufen, was ich von dem Rennen bisher gehört und im TV gesehen habe. Schon bei der Präsentation auf dem Trafalgar Square in London dachte ich, bei einem Fußballspiel in einem vollen Stadion mit 100.000 Zuschauern zu sein. Der Wahnsinn dann beim Prolog. Ich bin noch nie in zehn Minuten an über einer Million Menschen vorbeigefahren. Da rieselt einem schon die Gänsehaut über den Rücken."

Allein die Faszination Radsport hat es schon verdient, dass alle die, die sich um die Erneuerung des Profiradsports bemühen, dazu eine Chance erhalten und ihnen nicht Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, wenn wieder ein Dopingsünder enttarnt wird. Was über Jahre gelaufen ist, ja auch teilweise vertuscht wurde, lässt sich nicht allein nur mit Gesetzen oder Ehrenerklärungen aus der Welt schaffen. Aufklärung ja, aber kein Generalverdacht, dafür die Chance zur Erneuerung. Da wäre der Abbruch der Tour de France ein Signal in die falsche Richtung, wie aber auch das Vorenthalten der Informationen über den Tour-Verlauf gegenüber der großen Radsportfamilie mit Millionen von Fans. Frustriert zeigt sich Danilo Kupfernagel vom Geraer Continental Team Milram am Rande der Frauen-Rundfahrt. "Mir fehlen zahlreiche Wettkampfkilometer, da geplante Rennen wegen den Dopingskandalen abgesagt wurden. Ich finde es ungerecht, dass die Ehrlichen darunter leiden müssen", so der 19-jährige Geraer.

Die Frauen, die eben so hart um Sieg und Platzierungen kämpfen müssen, wünschten sich bei ihren Touren ein so großes Publikum und eine so hohe Medienpräsenz, wie das ihre männlichen Kollegen seit Jahren in Hülle und Fülle genießen und weiter genießen werden, auch wenn es nur im Focus der Skandale ist.   (rs)

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25.07.2007 - www.ssv-gera.de