Varese/Gera, 30.09.2008
Zur Belohnung gab es russischen Zupfkuchen von Mutter.
Geraer John Degenkolb vom Thüringer Energie Team holt Bronze bei U23-WM.


"John Degenkolb gehört zu den ganz großen Talenten in Deutschland", sagt Bundestrainer Patrick Moster (Foto: rad-net) "John hat mit seiner Bronzemedaille alle Erwartungen übertroffen und ist im Finale über sich hinausgewachsen. Ich hatte ein wenig Angst, dass er die lange Distanz nicht übersteht. Er gehört zu den ganz großen Talenten in Deutschland", resümiert Bundestrainer Patrick Moster den Husarenritt von John Degenkolb bei den Welttitelkämpfen der U23 im italienischen Varese. Nach einer tollen Mannschaftsleistung schaffte der erst 19-jährige Geraer den Sprung auf das Podest. Seine Bronzemedaille reichte er weiter an seine Teamkameraden, ohne deren offensive Fahrweise dieser Erfolg nicht möglich gewesen wäre. "Ich finde keine Worte für das, was sie für mich getan haben. Wir hatten uns abgesprochen, dass für den gefahren wird, der die besten Beine hat, und das war ich. Dominik Nerz hat sich dann in der vorletzten Runde noch einmal völlig verausgabt, um mir eine gute Ausgangsposition zu schaffen."

Nach der Zielankunft herrschte im deutschen Team Freude pur. Auf den hinter dem Zielstrich kraftlos zusammengesunkenen John Degenkolb stürzten sich seine Teamkameraden. Sie umarmten sich und lautstark stießen sie mit letzter Kraft ihre Freude aus sich heraus. "Die Mannschaft hat genau umgesetzt, was wir besprochen haben. Das war Werbung in eigener Sache", so der Bundestrainer.

Und in der Tat. Von Anfang an ging es zur Sache, und die Deutschen waren immer im Mittelpunkt des Geschehens und gehörten zu den Regisseuren des Rennens. Bei allen Ausreißversuchen während des Rennens sah man das rote Trikot eines deutschen Fahrers aufblitzen, die taktisch geschickt agierten und sich sehr kämpferisch zeigten.

Nach der ersten von insgesamt zehn Runden lagen elf Fahrer an der Spitze, darunter Dominik Nerz. In einer ersten Verfolgergruppe kontrollierte der Deutsche Meister Martin Reimer das Rennen, in einer zweiten John Degenkolb. Kaum jemand glaubte in diesem Moment allerdings, dass mit den frühen Attacken das Rennen schon fast gelaufen war, denn die großen Favoriten, wie der Portugiese Costa oder der belgische I`Avenir-Sieger Bakelands, lagen zu diesem Zeitpunkt noch alle im Peloton zurück. Nach der Hälfte des Rennens laufen diese drei Gruppen zusammen. Immer sind es die deutschen Fahrer, die durch ihren aktiven Fahrstil bestechen können und so versuchen, die Gruppe zu sprengen. Mit ihren Rhythmuswechseln locken sie die Konkurrenz aus der Reserve und zwingen sie immer wieder zu kontern.

Vertrauend auf die Leistungsstärke von Dominic Klemme, Paul Voß und Simon Geschke, die sich ebenfalls im Peloton aufhielten, konnte das BDR-Trio mit John Degenkolb, Dominik Nerz und Martin Reimer seine ganze Kraft in der Spitze einsetzen.

Ende der sechsten Runde legten dann John Degenkolb und Dominik Nerz noch einmal kräftig zu und schüttelten durch ihr Tempo die komplette Konkurrenz ab. Lediglich der Kolumbianer Duarte und der Italiener Oss können noch mithalten. In der achten Runde gelang es unter anderem dem Italiener Caruso den Anschluss an die Spitze herzustellen, der dann in der neunten Runde attackierte. Sofort setze John Degenkolb nach, während Dominik Nerz den Anschluss verliert. Nun konzentrierten sich die ganzen Hoffnungen auf den Schützling von SSV-Trainer Gerald Mortag. Innerhalb der 6-köpfigen Spitzengruppe, die inzwischen einen Vorsprung von 1:45 Minuten auf die Verfolger hatte, bewahrte John Degenkolb stets die Übersicht. Auf der Zielgerade überraschte dann der Kolumbianer Fabio Duarte mit seiner Attacke. Die Italiener etwas irritiert, verpassten so den Titel, konnten aber durch Simone Ponzi die Silbermedaille gewinnen. John Degenkolb ging als Drittplatzierter über den Zielstrich und sicherte so für sich und sein Team WM-Bronze. "In den letzten beiden Runden hatte ich Krämpfe und dachte, ich muss sterben", so der umjubelte John Degenkolb nach dem Rennen. Es war die Aussicht auf Edelmetall, was ihn motivierte, sich am Hinterrad der Gegner festzubeißen und sich weiter zu quälen. "Als ich in der dritten Gruppe aus dem Feld fuhr, wusste ich, dass was gehen könnte, weil die favorisierten Italiener im Feld keine Arbeit mehr machen würden", erklärt John Degenkolb.

Es brauchte schon einige Zeit, bis der Geraer richtig begriff, was für eine hervorragende Leistung er erbracht hat. Mit strahlenden Augen stieg er auf das Siegerpodium. "Als sie mir die Bronzemedaille umgehängt hatten, war das einfach nur geil. Ich bin überglücklich." Besonders freute sich Dominik Nerz, der sich trotz schwerer Beine durchgebissen hat und erst in der Schlussphase abfiel. "Ich sollte in der ersten Hälfte das Rennen kontrollieren, dann habe ich so lange es ging John unterstützt. Wir verstehen uns super, sind Freunde, und ich bin stolz, dass ich ihm helfen konnte."

Mit Frank, Annett und Johanna, waren Vater, Mutter und Schwester nach Varese gereist, wollten ihren John sehen. Der Ausflug hatte sich gelohnt, so konnten sie sich vor Ort mit ihm über die Bronzemedaille freuen. Mutter Degenkolb hatte extra einen russischen Zupfkuchen gebacken, den sich John dann am Abend schmecken ließ.

Im Vorjahr gewann er bei der Juniorenweltmeisterschaft im Zeitfahren Silber und beim Straßenrennen belegte er Platz fünf. Dass er zu den großen Hoffnungen im deutschen Radsport gehört, davon ist sein Trainer längst überzeugt. Doch so eine herausragende Leistung und das im ersten U23 Jahr, damit hatte selbst Gerald Mortag nicht gerechnet. Der sonst für seine Schlagfertigkeit und coolen Sprüche bekannte Trainer musste angesichts der Leistung seines Schützlings schon nach den passenden Worten suchen. "Wer wünscht sich nicht, dass sein Sportler bei einer Weltmeisterschaft den Sprung auf das Treppchen schafft. Andererseits bin ich schon zu lange Trainer und erinnere mich an meine aktive Zeit, um nicht zu wissen, wie schwer es ist, ganz vorn mit anzukommen. Sicher war ich mir aber, dass John ein tolles Rennen fahren wird. Er hat sehr gut trainiert, konnte auf eine erfolgreiche Saison aufbauen und ist in Top-Form nach Italien gereist. Es hat einfach alles geklappt. Was für ein Energiebündel und das mit erst 19 Jahren. Für mich ein toller Junge, der es einmal ganz weit bringen kann."

Für eine ausgiebige Feier seines Erfolges blieb allerdings keine Zeit, denn nach einem kurzen Zwischenstopp in Gera, ging es für den künftigen Polizeimeister weiter zur Ausbildung nach Meiningen. So konsequent, wie er von Erfolg zu Erfolg spurtet, will er auch für die Zeit nach dem Radsport seine berufliche Perspektive sichern.

Doch noch einmal ist sein sportliches Können gefragt. Am Wochenende endet mit dem Bahnrennen in Büttgen die diesjährige U23 Bundesligasaison. Den Gesamtsieg in der Sonderwertung jüngster Jahrgang schon in der Tasche, will er als derzeit Führender in der Bundesligawertung den Sieg im Gesamtklassement der U23 für sich perfekt machen.   (rs)

Homepage der  UCI Rad-WM 2008 in Varese (ITA) >> 
Homepage des  Thüringer Energie Team >> 
Alle Infos zur  Rad-Bundesliga Straße 2008 >> 

    << zurück zur Übersicht

30.09.2008 - www.ssv-gera.de