Offizielle Seite zu "Paris-Brest-Paris" 2007 (englisch/französisch) Gera, 25.08.07
Im Tagebuch von Bernd Herrmann geblättert.

Es war eine gute Schule fürs Leben.


Beim Radrennen der Superlative von Paris nach Brest und zurück über 1225 km am Start, der Geraer Unternehmer Bernd Herrmann. Es ist Samstag, die Uhr zeigt 11. Bernd sitzt im Büro seiner Firma, vor ihm liegen zahlreiche Zettel und Briefe. Es hat sich einiges angesammelt, da muss er sich erst einmal durchkämpfen. Der Alltag hat ihn wieder.

Fühlt sich als Randonneur-Caravanfahrer.

Gegen 13.00 Uhr haben sie am Freitag die Rückreise angetreten und nach elf Stunden waren sie wieder zu Hause in Gera. Nur eine kleine Pause hatten sie sich gegönnt. Die gut 1000 km nahm Vater Hans nonstopp. Trotz seiner 67 Jahre hat er die Anstrengungen gut weggesteckt, dennoch sehnte er sich nach Schlaf. Während er hinwärts seinen Sohn Bernd als Teilnehmer am Langstreckenrennen Paris-Brest-Paris kutschierte, fühlte er sich nun als Randonneur-Caravanfahrer, was ihn auch sichtlich stolz machte. Er kann für sich sagen: "Ich bin dabei gewesen, habe es miterlebt und durchlebt." Unberührt von ihm blieb sein Angelzeug. Während sein Sohn Kilometer um Kilometer hinter sich bringt, wollte er sich die Zeit mit Angeln vertreiben. Doch schon nach den ersten Etappen wurde ihm klar, daraus wird nichts, zu viel gab es zu tun. Und nie hat er seinen Sohn bedauert. Wie vorab vereinbart, galt es, ihn nur zu motivieren und das tat er auch. Gemeinsam haben sie es geschafft und das macht ihn stolz.

Es war nicht das letzte Mal.

Das Gesicht von Bernd zeigt deutlich Farbe. Für den ersten Blick sieht man ihm nicht an, dass er gerade 1225 km hinter sich gebracht hat. Ein paar Leiden hat er schon noch, doch auch diese werden sich bald geben. Und im nächsten Jahr das ganze noch einmal? "Da kann ich im Moment noch nichts dazu sagen. Ich muss das erst einmal alles verarbeiten", sagt Bernd, der aber dennoch schon gedanklich Pläne für die Zukunft hat. Für 2008 ist die Tour von Paris nach Peking geplant. Der Reiz ist schon da, 12000 km hinter sich zu bringen. Doch für ihn dennoch kein Thema, aber weniger aus sportlicher Sicht, mehr ist es das Berufliche, was ihm davon abhält. In Tagesetappen wird die Tour bewältigt und das in etwa 4 Monaten. Für ihn als Unternehmer deshalb unmöglich. Reizvoll aber die Tour quer durch England 2009 von London nach Edinburgh über 1400 km. "Was für die Tour spricht, es gibt kein Zeitlimit und es bedarf auch keiner Qualifikation", lässt Bernd schon erkennen, dass er da dabei sein will. Erfahrungen auf Langstrecken hat er ja nun genug gesammelt.

Erlebnisse, die motivierten.

Auch die Erfahrung musste er machen: Man lernt immer wieder etwas dazu. "Was ich total unterschätzt hatte, war der Wetterfaktor. Ich hätte nie gedacht, dass der so viel ausmacht. Bei besserem Wetter hätte die Tour bestimmt auch mehr Spaß gemacht, so war es ein Kampf gegen sich selbst", gesteht sich Bernd selbst ein. Mit der Zeit schmerzten ihm die Glieder, spürte er eine leichte Entzündung in den Knien. "Da kam schon der Gedanke auf, nicht weiter zu treten. Aber aufstecken, dass ist nicht so mein Ding. Seit Dezember habe ich mich darauf vorbereitet und seit einem halben Jahr es intensiv durchgezogen und die Qualifikationen gemeistert. Nein, Aufgeben, nur weil es irgendwo zwickt, niemals", redete er sich ein und weiter ging es.
Schon auf der Hinstrecke von Paris nach Brest war ihm ein 63-jähriger Franzose aufgefallen, der mit einem Bein und einer Prothese auf der Strecke war. "Ich spürte Respekt vor ihm. Wenn ich selbst die Anstrengungen als Mensch mit zwei gesunden Beinen spüre, was muss er dann empfinden. Mit meinen wenigen Englisch- und Französisch-Kenntnissen habe ich versucht, mich mit ihm zu unterhalten. Sein Motto: 'Man muss nur wollen. Wenn man dahinter steht, dann geht alles.' Ich habe ihn im Verlauf der Tour mehrmals wieder getroffen und war immer wieder begeistert von ihm. Ich empfand seine Teilnahme als eine ganz außergewöhnliche Leistung, was mich wiederum motivierte", berichtet Bernd, während er zurückgelehnt, seine Beine übereinander geschlagen, im Sessel an seinem Schreibtisch sitzt.
Motivierend empfand er in all den Tagen auch die Begeisterung der Bevölkerung an der Strecke. "Manchmal bin ich 20 bis 30 km gefahren, ohne einem Haus oder einem Menschen zu begegnen, nur Bäume. Dann kamen plötzlich ein Haus, ein Ort und da standen die Menschen, darunter viele Kinder. Selbst im Regen standen sie da, reichten uns Kuchen und etwas zum Trinken. Auch das hat mich zum Weiterfahren motiviert. Motiviert, um von einem Kontrollpunkt zum anderen zufahren. Viele haben aufgegeben, die physischen Anstrengungen, bedingt durch die Nässe und Kälte, nicht verkraftet."

Werbung für Vita-Cola.

Weniger spektakulär war die Ankunft am Zielort. "Die Chipkarte und das Streckenbuch abgegeben, ging es zum Wohnmobil, wo ich mich erst einmal ausgestreckt habe", sagt Bernd, der sich aber dennoch soweit motivieren konnte, dass er die letzten 15 km zum Ziel als einen Genuss empfand.
Auf den langen, oftmals eintönigen Strecken erinnerte sich Bernd an den Start. Aufgefallen waren ihm die Japaner in ihrer Lustigkeit und mit ihren vielen Fahnen, die sie unentwegt schwenkten. Ihnen auf der Strecke begegnet, da war nichts mehr davon zu spüren. Bernd erinnert sich an die schmerzverzerrten Gesichtszüge und spürte ihre Verbissenheit, mit der sie gegen den Regen kämpften.
Im Vorfeld hatte er viel gehört und gelesen über die härteste Radtour der Welt für Amateure. "Jetzt weiß ich, warum man sie als härtestes Radrennen bezeichnet", resümiert Bernd. Gut 12 bis 14 Liter Flüssigkeit hat er in den vier Tagen zu sich genommen. Vorwiegend Orangensaft mit Wasser gemischt. Ca. 12 Power- und 10 Energie-Riegel sowie acht Bananen hat er unterwegs gegessen. Und dazu einen ganzen Kasten Vita-Cola, den er in sich aufgenommen hat. Einigen seiner Mitfahrer aus den alten Bundesländern hat er zur Stärkung eben diese Vita-Cola angeboten und sie waren begeistert. Auch das war für ihn eine neue Erfahrung: Trotz der kühlen Temperaturen hätte er nie gedacht, dass sein Flüssigkeitsverlust so hoch ist.

So manches ging ihm durch den Kopf.

Technisch hatte er keine Probleme. Alles hat gehalten. Allerdings einen Satz Bremsbelege hat er verschlissen. Als richtig erwies sich auch die Entscheidung für seinen alten Sattel. Einen neuen Sattel als Reserve gekauft, blieb er dennoch bei seinem sechs Jahre alten eingesessenen Sattel. Drei Paar Rennschuhe im Wechsel und trotz Überzieher sind sie nie richtig trocken geworden. Während er auf der Hinstrecke dem Fahren in der Gruppe den Vorzug gab, brachte er auf dem Rückweg gut 600 km in Alleinfahrt hinter sich. Dabei ging ihm so manches durch den Kopf. "Ich habe mich an viele Dinge, die es im Vorfeld gab, erinnert. Vieles von dem, was man so erlebt hat, läuft da noch einmal ab. Man erlebt die Höhen und Tiefen noch einmal, denkt darüber nach, wie man das alles so gemeistert hat", beschreibt Bernd seine Gedanken auf den vielen Kilometern seiner Alleinfahrt, was ihm auch half, so manches Wehwehchen zu verdrängen. "Ich kann nur jedem empfehlen, sich einer solchen Herausforderung zu stellen", meint der Randonneur Bernd Herrmann, der diese Tour für sich als eine Schule fürs Leben empfand.   (rs)


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25.08.2007 - www.ssv-gera.de