Gera, 10.01.2009
"Ich habe vieles richtig gemacht!"
Radprofi Enrico Poitschke scheidet nach fast 30 Jahren aus dem aktiven Leistungssport.


Radprofi Enrico Poitschke scheidet nach fast 30 Jahren aus dem aktiven Leistungssport. Er hat Tschüss gesagt, sich verabschiedet vom aktiven Radsport, ohne das große Drumherum. Der Geraer Radprofi Enrico Poitschke entschied sich für einen leisen Abgang. Dabei darf er sich zu den Ausnahmeathleten im Radsport zählen. Fast 30 Jahre saß er im Rennsattel, hat all die Klassiker bestritten, fuhr den Giro, die Vuelta und mit 35 Jahren die Tour der Leiden. "So wie ich, gibt es nur wenige Renner, das muss man sich hart erkämpfen", meint Enrico Poitschke, der mit Recht von sich sagen kann: "Ich habe vieles richtig gemacht."
Mit elf Jahren stieg er erstmals aufs Rennrad. Gefallen am Radsport fand er schnell und rasch stellten sich auch erste Erfolge ein, doch der große Durchbruch sollte ihm nicht gelingen, was auch für seine gesamte Amateur- und Profizeit galt. Er verstand sich mehr als mannschaftsdienlicher Fahrer, was seine Sportkameraden auch an ihm schätzten und ihm wiederum immer wieder einen festen Platz bei den Profis sicherte.
Mit einem Onkel aus dem Westen in der Verwandtschaft blieb ihm vorerst der Weg zum SC Dynamo Berlin und damit zum DDR-Leistungssport verwehrt. Glück für den Geraer Radsport, wo er 1985 als Nachdelegierung bei der SG Wismut seine neue sportliche Heimat fand. Der Wechsel von Niesky nach Gera sollte sich für ihn lohnen. Trainer Volker Schönfeld nahm ihn unter seine Fittiche, als Junior schaffte er den Sprung in die DDR-Nationalmannschaft und ab 1988, sportlich betreut von Werner Marschner, trainierte er gemeinsam mit Olaf Ludwig, Thomas Barth und Jens Heppner. Als sie zu den Profis wechselten, entschied sich Enrico Poitschke bei Gerald Mortag weiter als Amateur Rennen zu bestreiten. 1993 wechselte er für eine Saison von Gera nach Erfurt, kehrte danach aber nach Gera zum Team Köstritzer zurück. "Ich verfolgte zwar die Profiszene, doch selbst hatte ich zu diesem Zeitpunkt keinerlei Ambitionen dort hin zu wechseln, und so überragend waren meine Leistungen zu diesem Zeitpunkt auch nicht.", erinnert sich der heute 39-jährige.
Der Einschnitt kam im Jahr 2000. Um weiter Rad zu fahren, musste er sich dann doch für eine Profilaufbahn entscheiden. Unterstützung fand er bei Michael Schiffner, der die Vision hatte, ein Profiteam in Leipzig zu installieren. Dies gelang mit dem Team Wiesenhof, in dem die Radprofis mit ihrem Kapitän Enrico Poitschke etliche nationale und internationale Erfolge feiern konnten. Gern erinnert er sich an seine Starts bei der Friedensfahrt. 2001 gewann er sogar eine Etappe und fuhr bis zum Zeitfahren im gelben Trikot. 2003 sicherte er sich im Friedensfahrt-Gesamtklassement Rang fünf. Im gleichen Jahr gewann er den ältesten deutschen Radklassiker "Rund um die Hainleite", nachdem er zuvor vier Mal auf Platz zwei des Siegerpodestes stand und schon den inoffiziellen Titel "Mr. Hainleite" inne hatte. Ab 2006 fuhr er dann für das Team Milram.
Der Höhepunkt für den in Gera-Hermsdorf beheimateten Enrico Poitschke war der Start bei der Tour de France im Jahre 2007. "Ich hatte mich darauf super vorbereitet. Die Teilnahme an der Tour de France mit Start in London und das Erreichen des Champs Ellysees in Paris war eines der größten Erlebnisse meiner sportlichen Karriere. Ich fuhr an der Seite von Erik Zabel, der am Ende Platz zwei in der Sprintwertung belegen konnte", erzählt Enrico Poitschke, der damals mit noch 37 Jahren der älteste Tour-Debütant in der über 100-jährigen Geschichte der Tour de France war. Dass er bis zu seiner Entscheidung, dem Profiradsport Tschüss zu sagen, immer wieder einen Profivertrag bekam, sieht er selbst nicht als einen Glücksumstand, sondern sei seinem Ehrgeiz, sein Können in den Dienst der Mannschaft zustellen, gepaart mit einer kräftigen Portion Durchsetzungsvermögen geschuldet. Der Kampf um einen der großen Erfolge, war nie so sein Ding. Für Enrico Poitschke stand all die Jahre auch eine gewisse Freude am Radsport im Vordergrund. Für ihn kein unbedeutender Grund dafür, dass es ihn so lange im Rennsattel gehalten hat. "Ich hatte immer Spaß am Radfahren und zum Glück wurde ich in all diesen Jahren von größeren Stürzen oder längeren Krankheiten verschont, die mich sportlich gesehen hätten zurückwerfen können", resümiert Enrico Poitschke, der dem Radsport aber auch künftig die Treue halten wird.
Viel wird er selbst noch in die Pedalen treten, denn wer fast 30 Jahre Rennen gefahren ist, der muss schon im Interesse seiner Gesundheit bewusst abtrainieren. Was seine berufliche Karriere betrifft, wird er sich noch festlegen. Vorerst begleitet er für internationale Reiseveranstalter exklusive Radreisen und steht mit Rat und Tat Profis, Amateuren oder Jedermannfahrern zur Verfügung.   (rs)

Homepage von  Enrico Poitschke >> 
Siehe auch  OTZ-Artikel vom 09.01.2009 >> 

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12.01.2009 - www.ssv-gera.de